ADHS - HSP - ICH
Karsten Adlung
Auf vielfachen Wunsch gibt es doch auch eine eigene Rubrik über mich.
Dabei bin ich überhaupt nicht der, der sich in den Vordergrund drängt, auch wenn ich für viele so wirke. Von Natur aus bin ich eher der Schüchterne (viele schmunzeln jetzt ungläubig, denn wer mich heute kennt, kann das nicht glauben), weiß aber dennoch ganz genau, was ich möchte.
Viele kennen und begleiten mich schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten durchs Leben. Manche schon seit meiner Geburt, manche auch nur eine gewisse Zeit, einen kurzen Lebensabschnitt. Dabei ist für jeden schnell klar, dass ich anders bin, ganz anders, einfach irgendwie anders, als normal.
Ich freue mich über jeden Fisch, der mit mir gegen den Strom schwimmt und die Welt bunter, kreativer, achtsamer, sensitiver, positiver und liebenswerter macht und so viele tote Fische um sich herum aufmuntert, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und mit gegen den Strom zu schwimmen. Denn nur wer gegen den Strom schwimmt, erreicht die Quelle.
Und stets wird eines immer so sein: Jeder, der mir mal begegnet ist und mich mit dem Herz berührt hat, wird immer auch einen Platz in meinem Herzen haben!
Alter
Das Alter ist und war mir schon immer völlig egal. Okay, ich war siebzehn und hatte meine ersten Suizidgedanken. Mir war klar, ich werde keine fünfundzwanzig! Diese Zeit ging von siebzehn bis zweiundzwanzig, dann war ich wieder lebensfroher und als ich fünfundzwanzig war, wusste ich, dass ich fünfhundert werde(n möchte), um meine ganzen Ideen verwirklichen zu können. Auch wenn ich vielleicht nur vierhundertneunundneunzig werde, habe ich es dann zwar nicht ganz geschafft, aber wenigstens fast.
Aber warum ist das so? Ein ADHSler macht keine halben Sachen, es gibt für ihn nur ein Alles oder Nichts, alles andere geht gar nicht. Das ist gleichzeitig das Problem, denn auch hundert Prozent reichen nicht aus, es müssen schon tausend sein. Dabei kommt auch ein ADHSler oft an seine eigenen Grenzen.
Ich bin am Tag der Arbeit, als Stier, im Wonnemonat Mai, geboren. Heute weiß ich, dass das bereits der Anfang von all dem war, was ich heute bin. Mir wurden schon damals quasi alle Gene mit in die Wiege gelegt und auf den Weg gegeben: Ich bin Workaholiker, gehe mit dem Kopf durch die Wand, rote Farbe macht mich eher heiß und aggressiv (schlecht für ADHSler, denn die stehen eh permanent unter Strom und sind eher aufgeheizt) und der Wonnemonat steht für meinen unbändigen, freundlichen, positiven Sonnenscheincharakter. Zudem war ich ein ständig hungriger Wonneproppen, ein deutliches Zeichen dafür, dass ich mal sehr groß werde (bzw. geworden bin).
Ich sage normalerweise nie direkt, wann ich geboren bin. Zum einen, weil mir das nicht wichtig ist, zum anderen, weil mir die Frage danach viel zu normal ist. Wer es dennoch wissen möchte, muss mein Geburtsjahr eben selbst mit ausrechnen (da geht der Spieler mit mir durch):
Man nehme einen Würfel mit den Augen eins bis sechs. Jetzt stellt man die gegenüberliegende Seite der Würfelseite, auf der die meisten Augen zu sehen sind, an erste Stelle.
Für die zweite Ziffer meines Geburtsjahres wählt man eine beliebige Würfelseite aus, zählt die gegenüberliegende dazu und addiert dann noch die gegenüberliegende Seite der fünf mit dazu.
Die dritte Stelle ergibt sich, wenn man die Summe zweier sich gegenüberliegender Seiten addiert und dann noch die Würfelseite abzieht, auf der die wenigsten Augen des gesamten Würfels zu sehen sind.
Fehlt nur noch die vierte Stelle. Die ist ganz einfach, wenn man den Würfel auf die Seite dreht, auf der je ein Auge in jeder Ecke zu sehen ist. Diese Seite dreht man auf die gegenüberliegende und sieht dann so viele Augen, die für die letzte Ziffer meines Geburtsjahres steht.
Eigentlich ganz einfach und gleichzeitig weiß man jetzt auch meine absolute Lieblingszahl, denn die ergibt sich, wenn man jede einzelne Ziffer meines Geburtstages zusammenaddiert und danach noch die beiden Ziffern des Ergebnisses. Oder noch einfacher, wenn man die Augen irgendeiner Würfelseite mit dessen gegenüberliegenden Seite addiert. Diese Zahl begleitet mich auch schon sehr, sehr lange durchs Leben, spätestens seit neunzehnhundertsiebzig, mit der Geburt meiner jüngsten Schwester, die nicht umsonst meine Lieblingsschwester ist.
Noch Fragen? Mathematik lässt grüßen, vollends, wenn man an Dyskalkulie leidet. Und Mathe zählte auch noch nie zu meinem Lieblingsfach und ist dennoch spannend, ganz besonders, wenn der Bruder Mathematiker ist und man selbst Spiele im Programm hat, die Mathematik auch für Dyskalkuliker interessant und erlebbar machen.
"Dich soll die ganze Welt kennenlernen!"
Als ich im Frühjahr Zweitausendachtzehn mit meiner Schwester während der Pflege unseres Vaters eine kurze Auszeit ins Café nahm, um uns unter vier Augen zu besprechen, hatten wir nicht wirklich viel Zeit. Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen, auf dem Rückweg einer älteren Dame helfen zu wollen, als ihr ein Sack Erde von ihrer zweirädrigen Einkaufshilfe rutschte. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ fragte ich im Vorbeigehen und bekam direkt zur Antwort: „Nein danke, nicht nötig“. Wir liefen weiter und ich beobachtete (typisch für mich als ADHSler) aus den Augenwinkeln heraus, wie sich die Dame weiter mühte und der Sack erneut vom Wägelchen rutschte. Ich fragte nochmal und die Dame dankte erneut und meinte, „dass das bisher immer geklappt hat.“ Und dann rutschte der Sack ein drittes Mal und ich nahm ihn kurzer Hand unter den Arm und meinte, „dass ich das nicht mit ansehen könne und ihr jetzt einfach den Sack ein Stück tragen helfen würde.“ Sie dankte und ich merkte, dass es ihr dennoch nicht so recht war. „Okay, bis zur nächsten Straßenkreuzung“, meinte sie. Wir erzählten unterwegs, dass wir auf dem Weg zurück zu unserem Vater sind und er schon auf uns warte und kamen so ins Gespräch. Sie erzählte uns, dass sie bereits seit langer Zeit hier wohne und vor einigen Jahren ihren geliebten Mann verloren habe. Und dann stellte sich heraus, dass die Dame in der Parallelstraße unseres Vaters wohnt und so trug ich ihr den Sack bis vor die Haustüre. Sie war so glücklich und gerührt, dass sie uns spontan auf einen Kaffee einladen und ihren Dachgarten zeigen wollte, für den sie das Säckchen Erde besorgt hatte. Doch wir mussten leider ablehnen, da unser Vater auf uns wartete und verabschiedeten uns herzlich voneinander.
Direkt im Anschluss meinte meine Schwester zu mir, dass das mal wieder „typisch Karsten“ gewesen sei. Bei unserem Vater angekommen erzählten wir auch ihm von dieser irgendwie magischen Begegnung. In den nächsten Tagen und Wochen sprachen wir immer wieder davon und hofften, dass wir uns eines Tages wieder über den Weg laufen würden. Denn irgendwas war ganz speziell und eben nicht normal, das spürte ich. Obwohl wir uns vorher noch nie gesehen hatten, waren wir uns irgendwie sofort vertraut und es fühlte sich an, als wären wir uns nicht fremd. Irgendwas zog mich magisch an, das spürte ich von Herzen.
Es vergingen Tage und Wochen, ohne dass wir uns wiedersahen. Und als ich eines Tages meinen Vater wieder einmal zum Arzt begleitete und noch kurz auf ihn wartete, nutzte ich die Zeit und lief zum Schreibwarenladen nebenan, besorgte eine wunderschöne Karte, auf der ein Japanischer Garten abgebildet war, schrieb diese an die Dame und hoffte auf Antwort. Und tatsächlich bekam ich Post von ihr und wir verabredeten uns zu einem Treffen. Ich spürte direkt, dass daraus mehr werden würde. Als wir uns dann wieder begegneten, wusste ich sofort, weshalb ich sie wiedersehen wollte. Ich sprach sie direkt im ersten Satz darauf an und meinte, dass sie eine „unglaublich hochsensitive, ganz besondere Frau“ sei. Es durchschoss uns beide dieses Gefühl, das Hochsensitive fühlen, wenn sie sich begegnen und die Wellenlänge nicht nur stimmt, sondern mit der des anderen mitschwingt und ineinander übergeht! Allein das hätte mir gereicht und ich wollte sie nur wiedersehen, weil ich dieses Verlangen in mir spürte. Doch daraus wurde eine ganz besondere Herzensfreundschaft: Hoch intensiv, hoch sensitiv, unglaublich herzlich und magisch. Auch als sie unseren Vater kennenlernte, war direkt klar, dass auch da zwei Hochsensitive miteinander mehr als nur harmonieren.
Und eines Tages sagte sie zu uns: „Wann immer ihr mich braucht, ich bin für Euch da!“ Was Herzlicheres hätte uns nicht passieren können! Meine Schwester und ich mussten jeden Tag ein Stück fahren, bis wir bei unserem Vater waren und hatten natürlich auch noch unsere eigenen Dinge daheim zu tun. Und jetzt bekamen wir diese grandiose Hilfe angeboten, das war einfach unglaublich!
So wurde aus einer flüchtigen Begegnung (und ich sage immer wieder, dass es keine Zufälle gibt!) eine ganz besondere Freundschaft. Die Dame wurde zu unserer „Glücksbotin“ und Teil unserer ganzen Familie.
Sie war es auch, die eines Tages zu mir sagte: „Dich soll die ganze Welt kennenlernen!“ Und hätte mir das nicht unsere hochsensitive, ganz besondere Glücksbotin gesagt, würde der Satz wohl nie einen ganzen Absatz füllen. Doch erklärt er gleichzeitig ganz deutlich meine Lebenseinstellung: Wir sind hier nicht auf der Erde, um nur einen anderen glücklich zu machen. Nein, wir sind hier, um ganz viele, am besten die ganze Welt von Herzen zu berühren! Und wenn jeder danach leben würde, könnte das Leben so viel einfacher, herzlicher, harmonischer, hochsensitiver, achtsamer und liebevoller sein.
Wenn wir nur lernen würden, unser Herz für ganz viele zu öffnen, wären wir sicher selbst erstaunt, wie groß unsere Liebe sein kann, wenn uns nicht Neid und Eifersucht im Wege stehen würden.
Wie oft wiederhole ich noch heute immer wieder die Antwort unserer Glücksbotin, als ich sie fragte, ob ich ihr helfen dürfe: „Nein danke, nicht nötig.“ Wie oft schmunzeln wir darüber, wohl wissend, dass wenn ich nicht einfach den Sack geschnappt hätte, wir uns nie weiter wichtig gewesen wären und so auch unsere Herzen keine Möglichkeit gehabt hätten, zueinander zu finden. Das kann kein Zufall gewesen sein, da sind wir uns alle sicher!
Das Leben kann so einfach sein, doch leider ist es normal, es uns selbst möglichst schwer zu machen und uns selbst im Weg zu stehen. Da bin ich gerne anders, anders als normal, denn Herzen können einander berühren und sich füreinander entscheiden, ganz ohne Erwartungsdruck und andere Hintergedanken.
Mein Magier hatte schon immer sein großes Herz als Herzensschloss mit ganz vielen Zimmern beschrieben. Und jeder, der ihm wichtig war und wollte, bekam einen Schlüssel und durfte sich sein Zimmer darin selbst aussuchen. Wohl dem, der solch einen herzensguten Lehrmeister hatte. Und wohl dem, der zeitlebens die Rolle des Zauberlehrlings einnehmen durfte und jetzt in große Fußstapfen treten darf. Dabei klingen die Worte der Glücksbotin immer wieder nach: „Dich soll die ganze Welt kennenlernen!“ Worauf noch warten? Die Herzensschlüssel liegen bereit.
Der Magier und sein Zauberlehrling
Wer uns jemals auf einer unserer zahlreichen Messen in der Vergangenheit zusammen erleben durfte, weiß von wem und was ich hier spreche.
Mein Vater, mein Magier, wie ich ihn die letzten Jahre seines langen und erfüllten Lebens nannte, war ein unglaublicher Herzensmensch (nicht nur) für mich. Er führte mich ein in die magische Welt der Herzensenergie und berührte schon immer sein Umfeld mit seiner Ruhe und unendlichen Herzenskraft. Er war und bleibt einfach magisch! Oft hörten wir auf unseren Messen von Besuchern, die an unserem Stand auftauchten, die Worte: „Wir wissen nicht warum, aber wir fühlen uns hier magisch angezogen!“ Man konnte die hochsensitive Energie meines Magiers und mir regelrecht spüren. Nicht umsonst spreche ich immer wieder von mir als „seinem Zauberlehrling“. Denn spätestens als ich meine hochsensitive Seite in mir wiederentdeckt und erlebt habe, war es um mich geschehen.
Ganz im Ernst: Nur wer selbst einmal spüren und fühlen durfte, wie sich Hochsensitivität anfühlt, möchte diese nie wieder missen. Es ist wie eine andere Welt, als würde man sich auf einer anderen Ebene bewegen. Man spürt und fühlt so viele neue Feinheiten und Facetten, die einem bislang verborgen waren.
Ich bin ganz klar der Meinung, dass viele von uns hochsensitive Gene mit in die Wiege gelegt bekommen haben. Aber anstatt sie zu (er)leben und mit allen hochsensitiven Sinnen langsam darin und damit groß zu werden und zu wachsen, werden uns diese bereits in der Kindheit oft abtrainiert und möglichst ignoriert, damit wir „einfacher“ und eben „normal“ aufwachsen. Das ist dann auch für die Eltern meist leichter zu managen. Denn unumstritten ist, dass Hochsensitivität durchaus anstrengend sein kann. Und meist wird in unserer heutigen, schnelllebigen Ellenbogengesellschaft viel zu sehr danach getrachtet, den einfachsten, zielstrebigsten, direkten Weg zu gehen, möglichst ohne Ecken und Kanten. Da ist dann eben leider wenig Platz für Träumereien, Gefühle (er)leben, Achtsamkeit, Ehrlichkeit, Empathie und Herzlichkeit. Doch umso mehr fallen dann die auf, die genau diese Fähigkeiten erleben und vor allem auch ausleben dürfen. Und oftmals spüren Eltern erst dann (wieder) ihre eigenen, hochsensitiven Wurzeln, die sie leider nie selbst in ihrer Kindheit entdecken und verfolgen konnten. Wohl dem, der es dann wenigstens im fortgeschrittenen Alter spüren darf und wohl dem, der sich seiner Sinne wieder besinnt. Ein unglaubliches Hochgefühl, das man nicht mehr missen möchte!
Meine Eltern haben meinen vier Geschwistern und mir zeitlebens vorgelebt, wie wunderschön magisch und einfach es ist, wenn man sein Herz sprechen lässt. In unserer siebenköpfigen Familie gab es wenig Neid und Missgunst. Achtsamkeit und Ehrlichkeit war oberstes Gebot. Grund genug, warum auch heute noch jeder spürt, dass ich absolut ehrlich und authentisch bin. Selbst in meinem eigenen Spieleverlag gibt es kein einziges Spiel, bei dem man lügen können muss (und das, obwohl inzwischen über 100 Spiele veröffentlicht wurden). Einfach, weil ich es selbst auch nicht kann. Mir sagte mal jemand auf einer Messe, dass ich „zu ehrlich für diesen Job bin.“ Äh, bitte, geht’s denn eigentlich noch?? Ich antworte nur mit den Worten, „dass man gar nicht ehrlich genug dafür sein kann“. Ich muss morgens und abends in den Spiegel schauen und mich selbst entdecken können! Kann ich das nicht mehr, habe ich mich selbst verloren und aufgegeben.
Auch mein Magier liebte die Messen. Er saß bis ins hohe Alter von fast neunzig Jahren noch neben mir und freute sich jedes Mal, „unter so vielen Leuten auch noch Menschen zu finden und erleben zu dürfen!“ Und tatsächlich waren es viele, sehr viele Hochsensitive, die uns gegenüberstanden. Mehrfach habe ich erlebt, wie ihn viele einfach nur umarmen und drücken wollten. Oft entwickelten sich ganz besondere Freundschaften und viele vertrauten sich meinem Vater an und genossen seine Ratschläge. Er war für viele wie ein Psychologe oder Seelsorger, einfach magisch.
Mein Vater legte sich tatsächlich im schon weit fortgeschrittenen Alter mit Anfang achtzig auch noch ein Smartphone zu und kommunizierte mit den meisten über Messenger oder auch in längeren Telefonaten. Oft erlebten wir jüngere Besucher am Stand, die es völlig cool fanden, wie sich mein Vater im hohen Alter mit seinem Smartphone beschäftigte und es auch nicht mehr missen wollte. Das öffnete ihm das Tor in die ganze Welt und so beglückte und berührte er nicht nur Menschen in seiner unmittelbaren Nähe.
Auch erinnere ich mich noch sehr gut, wie er eines Tages, neben mir auf einer Messe sitzend, zu mir sagte, wie schön er es finde, „dass wir uns auch ganz ohne Worte so gut verstehen“. Ja, wir spürten und fühlten regelrecht in uns hinein und waren wahrlich ein magisches Team. Er meinte, dass er alle seine Kinder liebe, aber das Gefühl habe, dass wir beide „einen ganz besonderen Draht zueinander“ haben.
Wohl dem, der ihn erleben durfte! Ich hatte sechsundfünfzig Jahre lang das Glück, Teil seines Lebens gewesen zu sein und möchte keine Sekunde davon missen!
Mit Beginn seines neunzigsten Lebensjahres spürte ich deutlich, dass ihn seine irdischen Kräfte langsam verlassen. Ich setzte mich eines Tages ihm gegenüber, nahm seine beiden Hände in meine und sprach ihn ganz ruhig und dennoch deutlich auf die Veränderungen an, die ich mehr und mehr beobachten und einfach auch spüren konnte. Er pflichtete mir bei und meinte, dass ihm das auch aufgefallen sei. Das war ein so schöner Moment, denn viele alte Menschen leugnen gerne Veränderungen, weil sie es selbst nicht wahrhaben wollen. Ich sah ihm tief in die Augen und sagte: „Daddy (so nannte ich meinen Vater), wann immer Du gehen willst, gehe, wir werden Dich nicht festhalten!“ Das war so ein unglaublich wertvoller, magischer Moment und er bedankte sich und ich konnte deutlich spüren, wie ihm eine Last genommen wurde. Er war mir auch später immer wieder dankbar dafür, denn oft versuchen wir andere zu halten und wollen sie nicht gehen lassen. Dabei ist für jeden irgendwann die Zeit gekommen, gehen zu dürfen. Auch mein Magier durfte sich auf seinen nächsten Lebensabschnitt in einer anderen Ebene des Universums vorbereiten. Und wir versuchten ihm diesen Weg so einfach wie möglich zu gestalten. Wunderschön war, wie offen wir über seinen letzten, irdischen Lebensabschnitt reden, alles besprechen und vorbereiten konnten. Unvergesslich bleibt die Magie des Treffens seiner Lieblings-Querflötistin, die er zusammen mit meiner Mutter in früheren Zeiten oft auf Konzerten besuchte und die dann auch bei der Beerdigung meiner Mutter live für uns spielte. Zweiundzwanzig Jahre später konnten wir ein Treffen mit ihr organisieren und sie spielte bei uns ganz privat für ihn und wir alle wussten, es war (s)ein privates Abschiedskonzert. Eine unglaubliche Herzensmagie erfüllte den Raum, gepaart mit wunderschönen Tönen aus der Querflöte und alle Anwesenden erlebten diesen Moment höchst sensitivst!
Die letzten beiden Jahre vor seiner Abberufung ins Universum waren einfach unglaublich intensiv, hochsensitiv, emotional und wunderschön. Mein Magier wollte am liebsten einfach irgendwann aufhören zu atmen und nach Möglichkeit in seinem eigenen Zuhause. Für mich war von vorneherein klar, dass ich ihm diesen Wunsch erfüllen werde, komme, was wolle. Zusammen mit meiner jüngsten Schwester übernahmen wir im Wechsel die Pflege und begleiteten ihn zu Arztbesuchen. Ich hatte schon früh begonnen, meinen Vater im Rollstuhl auf meinen zahlreichen und ausgiebigen Spaziergängen mitzunehmen. Das schweißte uns noch mehr zusammen. Ich weiß noch, wie ich eines Tages zu ihm sagte: „Ich glaube, ich laufe mit Dir noch einmal um die ganze Welt!“ Darauf hörte ich ihn schmunzelnd sagen: „Das traue ich Dir auch noch zu!“ Hätte mein Vater zuletzt nicht noch alle möglichen zusätzlichen Wehwehchen bekommen, wäre ich echt fähig gewesen, einfach mit ihm loszulaufen. Aber auch so war es eine unglaublich schöne Zeit, ich lief oft lange Strecken mit ihm im Rollstuhl über Felder, auch mitten durch Wälder. Wir besuchten noch viele Städte und unvergesslich bleibt auch der Besuch seiner alten Heimat, in der er groß wurde und noch viel erzählen konnte.
Und auch so war es eine unglaublich schöne Zeit des Abschiednehmens! Fast schon legendär auch die Begegnung zu unserer Glücksbotin, die bis zu seiner Abberufung an seiner Seite war. Zusammen mit ihr und meiner Schwester sprechen wir noch heute vom Magier und seinem Dreigestirn.
Kurz bevor er dann für andere Aufgaben ins Universum abberufen wurde, sagte ich ihm, „dass noch ganz viel von ihm in mir weiterleben würde“. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm, als seinem Zauberlehrling, eine gewisse Last nehmen konnte. Und eines Tages fühlte ich das auch ganz deutlich und sagte zu ihm: „Daddy, Du beamst mir gerade ganz viel rüber, das spüre ich!“ Ich sehe noch heute vor mir, wie er mich daraufhin anlächelte und kräftig durchatmete. Er wusste, dass ich sein Herzenslebenswerk fortführen werde und es in gute Hände gekommen war.
Ich vergesse auch nie den Tag, als mir mein Vater auf der Fahrt auf eine unserer Messen erzählte, was er in seinen jungen Jahren erlebt hatte: Er war als Neunzehnjähriger in Gefangenschaft „unheilbar krank“ und bereits zum Sterben abgeschrieben, als er erfuhr, dass zwei seiner Brüder im Krieg gefallen waren. Da sagte er sich: „das tue ich meinen Eltern nicht auch noch an, dass sie ihren dritten Sohn verlieren!“ und kämpfte sich mit mentaler Stärke und reinem Überlebenswillen zurück ins Leben. Und das mit neunzehn!! Das hat mich unglaublich beeindruckt und wir Kinder kannten unseren Vater als Überlebenskünstler mit einer unglaublich mentalen Kraft, stets positiv denkend und mit riesengroßem Herz. Durch Kriegsleiden war leider auch seine Lunge nur noch zur Hälfte belastbar und wenn es auf unseren zahlreichen Spaziergängen und Wanderungen mal bergauf ging, schoben wir ihn einfach mit hoch. Für ihn gilt tatsächlich: „Nur Totgeglaubte leben länger!“ Mein Magier überlebte später im hohen Alter selbst eine Lungenembolie, die er nicht einmal selbst bemerkte. Sein Arzt hatte ihn bei einer Untersuchung darauf aufmerksam gemacht.
Auch erinnere ich mich noch an den Tag, als ich mit ihm bei einer MRT seines Gehirns war und der Arzt festgestellt hatte, dass „dunkle Flecken“, die bei der letzten Untersuchung entdeckt wurden, jetzt wie von Zauberhand verschwunden waren. Mein Magier hatte die mentale Kraft und Stärke, sich von innen heraus zu heilen und lehrte uns, positiv zu denken. Er hat so viele Spuren hinterlassen und wird für immer seinen Platz in unseren Herzen haben. Seine Magie wird weiterleben, das habe ich ihm versprochen. Und das hat er auch gespürt und konnte so auch sehr viel leichter die Erde verlassen. Ich spüre ihn oft und sehe ihn lächelnd auf mich herabblicken.
Der Magier hat abgedankt und das Feld seinem Zauberlehrling überlassen. Ich bin mir der großen Aufgabe wohl bewusst, habe sie aber längst mit Freude und Herzensenergie angetreten.
Wohl dem, der ihn erleben durfte. Er wird für uns alle unvergesslich bleiben und in unseren Herzen weiterleben.
Von mir selbst entwickelte Spiele
Die hier nachfolgende Rubrik "UNTERSTÜTZENDE SPIELE FÜR:" ist für diesen Bereich natürlich nicht ganz korrekt. Aufgelistet sind hier Spiele, die ich selbst entwickelt habe.
Die Spiele 100!, BUNTBÄR & CO, VIELE DINGE zusammen mit (m)einem sehr wichtigen Freund und Redaktionsmitglied, Bernhard Naegele.
Unter der Rubrik "BEDINGT" stehen all die Spiele, die ich als Erweiterung mit ins Leben gerufen habe.
Das Originalspiel SPEED ist und bleibt gefühlsmäßig mein Baby, denn dieses Spiel hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin: Geerdet und ruhig(er). SPEED habe ich 1995 auf einem Autorentreffen entdeckt, direkt mehrfach den Autor, Reinhard Staupe, besiegt und war schnell süchtig nach SPEED. 1996 habe ich auf einem Wettbewerb den Rekord von 21 Sekunden aufgestellt. SPEED ist und bleibt mein Ritalin, SPEED FUSSBALL die logische Konsequenz, denn auch ich hatte früher als Kind immer nur Fußball im Kopf.
Auch für das Spiel 112 bin ich mehr oder weniger (in)direkt mitverantwortlich. Es stammt aus der Feder meiner Nichte und meines Neffen Louisa und Wanja. Unsere Kartenspiele haben eine fortlaufende Nummer, die auf einer Schachtellasche aufgedruckt ist. Dort haben die Autoren die Möglichkeit, Spiele zu widmen. Diese Lasche wird meist nicht geöffnet und so wissen viele auch heute nicht mal davon (die größten Fans unserer Spiele, die davon wissen, schauen immer sofort nach, wem es gewidmet ist). Als ich auf meinem Spiel TURN-A-ROUND die fortlaufende Nummer 110 aufdruckte, war sofort klar, dass ich dieses Spiel all denen widme, die mit mir und durch mich gelitten haben: „Für alle AD(H)Sler, (A)HSler, Erzieher, Pädagogen, Therapeuten u. Leidtragenden“. Denn die Nummer „110“ verbinde ich mit der Polizei. Und wenn ich als Kind mal wieder meine Mutter zur Weißglut gebracht hatte und sie mit der Polizei drohte, meinte ich immer nur provokant: „Dann mach doch!“ Sie hat es natürlich nie getan, denn sie liebte mich als ihren Sohn, auch wenn ich ihr leider oft große und seelische Schmerzen bereitet habe. Als ich davon meinen Kids erzählte, war deren Idee geboren, für das 112. Spiel ein Feuerwehrspiel zu entwickeln. Herausgekommen ist ein wunderschönes, taktisches Merkspiel und hoch gelobt auch von der Feuerwehr!
Selbstverständlich habe ich, als Verlagsinhaber, grundsätzlich bei allen Spielen die Finger mit im Spiel. Dabei achte ich immer darauf, dass der Spielspaß im Vordergrund steht. Da ich selbst ADHSler bin, befinden sich viele schnelle Spiele im Programm. Gleichzeitig versuchen wir, mit unterschiedlichen Varianten das einzelne Spiel „mitwachsend“ zu gestalten. So wächst man quasi mit dem Spiel auf und hat selbst im hohen Alter noch Spaß daran.
Wohl dem, der sich spielend therapieren kann (und vor allem, ohne es zu merken)!